Praxeologie: Der Markt #18

Praxeologie Markt

Was ist der Markt und wie funktioniert er?

Im letzten Beitrag haben wir die Grundlagen für das Verständnis der Katallaktik gelegt, die als Teil der Praxeologie den Markt untersucht. Wir haben festgestellt, dass wir um den Markt zu verstehen auch das Unmessbare und Unsichtbare, wie Werte und Emotionen, berücksichtigen müssen.

In diesem Beitrag werde ich alle wesentlichen Merkmale der Marktwirtschaft beschreiben. Ich werde erklären, wie sich der Markt von anderen Systemen unterscheidet. Zudem werde ich das Konzept des Einkommens einführen und die Machtstruktur eines freien Marktes erläutern. Wenn wir an einen Markt denken, so kommen uns oft bestimmte Ideen in den Sinn, wie ein Aktienmarkt, einen Flohmarkt oder einen Supermarkt. Aber der Markt ist kein Ort, keine Sache und keine kollektive Einheit.

Der Markt ist ein Prozess

Dieser Prozess ist das Ergebnis aller freiwilligen Tauschaktionen, die von Einzelpersonen durchgeführt werden, wenn sie die Freiheit haben ihr Eigentum zu kontrollieren und dort einzusetzen, wo sie glauben, dass es am besten genutzt wird. Daher unterscheidet sich der Markt (bzw. die freie Marktwirtschaft) zwischen anderen denkbaren Systemen dadurch, dass er von keinem zentralen Planer betrieben wird. Alle anderen Systeme, die als Sozialismus, Kommunismus, Planwirtschaft, Mischwirtschaft oder soziale Marktwirtschaft bezeichnet werden, unterscheiden sich stark vom Markt, da sie immer eine Form des öffentlichen oder staatlichen Eigentums aufweisen. Sie zielen insbesondere darauf ab, dass der Markt und die Preise für bestimmte Produktionsfaktoren abgeschafft werden.

Wir wissen bisher, dass jeder, der in den freien Markt involviert ist gewaltfrei handelt, um seine eigenen Ziele zu erreichen. Doch wie wir aus der Logik des freiwilligen Austauschs gesehen haben, handelt jeder, der für sich selbst handelt, gleichzeitig auch, um die Zufriedenheit anderer zu erreichen.

Wenn wir die Begriffe der Praxeologie verwenden, dann bedeutet dies, dass jeder in einem Markt sowohl Mittel als auch Zweck und Handeln gleichzeitig ist. Ein Individuum ist ein Zweck, weil es handelt, um sich selbst zufrieden zu stellen, und das Individuum ist ein Mittel, weil seine Handlungen anderen Menschen dienen, um deren Ziele zu erreichen.

Eine kurze Wiederholung: Der Kapitalismus

Wie wir gesehen haben, ergibt sich beim Tausch ein Preis aus dem Verhältnis zwischen den beiden Waren, die gehandelt werden. Wenn ein Austausch von Geld entsteht, dann wird es jedem möglich mit Hilfe eines gemeinsamen Nenners zu rechnen. Dieser gemeinsame Nenner kommuniziert Informationen. Diese Informationen sagen den Produzenten, wo sie produzieren sollen, was sie produzieren sollen, wie sie produzieren sollen und in welcher Menge.

Alle Personen, die entweder Investitionsgüter erschaffen oder kaufen nennen wir Produzenten. Kapital entsteht, wenn Individuen im hier und jetzt weniger konsumieren, damit sie in Zukunft mehr konsumieren können. Dieses Kapital bzw. diese Investitionsgüter können nur durch Sparen entstehen. Die Individuen, die Kapital ansparen, nennen wir Kapitalisten.

Wir fassen die zwei wichtigen Aspekte des Kapitalismus zusammen:

  1. Kapitalismus ist ein Marktsystem, in dem eine wirtschaftliche Kalkulation durch die entstehenden Preise möglich ist.
  2. Kapitalismus ist die Tatsache, dass die Produktionsmittel in Privatbesitz sind.

Kapital und Einkommen

Die Möglichkeiten, die den Individuen auf einem Markt zur Verfügung stehen, unterscheiden sich von anderen Systemen dahingehend, dass der Mensch die Möglichkeit hat ökonomische Berechnungen durchzuführen. Diese Eigenschaft des Geldes ermöglicht es den Menschen aufgrund des gemeinsamen Nenners eine Buchhaltung durchzuführen. Durch den gemeinsamen Nenner ist es zudem jedem Menschen leicht möglich seine aktuelle Situation zu erkennen. Eine Kernidee der Buchhaltung ist es zwischen dem Kapital (Bilanz bzw. Vermögen) und seinem Einkommen (Gewinn- und Verlustrechnung) zu unterscheiden.

Wenn Menschen handeln, um ihre Wünsche zu erfüllen, dann ziehen sie eine mentale Grenze zwischen dem Konsum gegenwärtiger und zukünftiger Güter, die sie konsumieren möchten. Dabei versuchen sie die Güter, die sie für zukünftige Dinge einsetzen wollen zu vermehren oder zu bewahren. Dies ist das Kapital. Das Einkommen ist das Geld, welches einem Menschen in einem bestimmten Zeitraum zur Verfügung steht, ohne dass er sein Kapital aufbrauchen muss.

Die Unterscheidung zwischen Einkommens und Kapital ermöglicht es den Marktteilnehmern, im Rahmen ihrer Möglichkeiten zu leben. Eine solche Kalkulation ist in dem Ausmaß in keinem anderen Gesellschaftssystem möglich.

Die Hauptaufgaben einer ökonomischen Berechnung sind daher die Ermittlung der Größen von Einkommen, Ersparnis und Kapital. Ein Beispiel aus dem Alltag: Das Einkommen entspricht dem Monatsgehalt. Das Ersparnis entspricht der Geldmenge, die am Ende des Monats übrig bleibt und das Kapital sind die Vermögensgegenstände wie Aktien, Immobilien oder das Geld auf dem Sparbuch. Wenn man am Ende des Monats mehr ausgibt als man eingenommen hat, so wird das Kapital geringer.

Sind die Verbraucher von den Produzenten abhängig?

Wir haben nun verstanden, dass ein Marktpreis aus einer ökonomischen Berechnung hervorgeht, die den Inhabern von Produktionsgütern hilft, diese sinnvoll einzusetzen. Jetzt könnte man schnell daraus schließen, dass die Kapitalisten eine gewisse Macht über die Verbraucher haben. Es wird immer wieder behauptet, dass die Kapitalisten, weil sie die Kontrolle über die Produktionsmittel haben, die Gesellschaft als „Geisel“ halten, um diese in eine gewünschte Richtung zu bewegen.

Doch dies stimmt nicht.

Zunächst müssen wir uns daran erinnern, dass jeder, der am Markt teilnimmt, sowohl als Käufer als auch als Verkäufer auftritt. Ein Verbraucher und ein Produzent. Ein Kapitalist und ein Arbeiter. Ein Beispiel: Jeder, der mehr Geld spart, als er verbraucht, ist ein Kapitalist. Jeder spielt die verschiedenen Rollen, die die Praxeologie immer wieder als Handlungsweisen definiert.

Manchmal spielen wir diese verschiedenen Rollen im selben Augenblick und manchmal in verschiedenen Lebensabschnitten. Diese praxeologischen Rollen sind Kapitalist, Unternehmer, Produzent, Konsument und Arbeiter. Sie dienen lediglich der Unterscheidung von Handlungsweisen. Diese Begriffe bezeichnen keine tatsächlichen Personen. (Dies ist wichtig zu verstehen, denn dadurch wird der politische Klassenkampf zwischen Unternehmer und Angestellten aufgelöst, weil die Rollen nicht einzelnen Personen für immer zu geschrieben werden können.)

Der Markt im Widerspruch zur Demokratie

Betrachten wir vor diesem Hintergrund die Machtstruktur in einem Markt anhand eines Beispiels. Angenommen, Steve Jobs möchte Apple-Computer mit dem höchstmöglichen Gewinn auf dem Markt verkaufen. Angenommen Steve ist ein egoistischer Mann und macht daher die Produkte sehr teuer. Wenn nun die Kunden den Preisforderungen nicht nachkommen, dann erleidet er Verluste und sein Unternehmen geht in den Bankrott/Konkurs.

Genau diese Situation ereignete sich Mitte der neunziger Jahre bei Apple. Sie befolgten die Wünsche und Bedürfnisse der Kunden nicht richtig und mussten beinahe ihr Geschäft aufgeben. Auf dem Markt kann ein Produzent seine Produkte vom Verkauf zurückhalten oder den Preis übermäßig erhöhen. Doch auch ein Verbraucher kann sein Geld zurückhalten und einen Tausch ablehnen.

Somit gibt der Marktprozess jedem Einzelnen die Souveränität über sein Eigentum. Jedoch werden die Auswirkungen jeder Handlung für oder gegen ein Produkt allen Produzenten kommuniziert. Man könnte sagen, dass auf dem Markt jeder als Produzent und Konsument abstimmt, wer die Fabriken leiten und wer Computer verkaufen soll. Der Markt kann arme Menschen reich und reiche Menschen arm machen.

Dadurch ergibt sich ein großer Unterschied zwischen der Demokratie und dem freien Markt. Dies liegt daran, dass in einer Demokratie nur die gewählte Mehrheit die Richtung bestimmt, während auf dem Markt jede Stimme zählt. Es gibt auf dem freien Markt keine Stimme, die verschwendet wird. Der freie Markt ist somit demokratischer als die Demokratie.

(Anm. d. Red.: Vielleicht hast du ja gerade deshalb weder in der Schule noch auf der Universität oder in den Medien etwas von der Praxeologie gehört)

So gibt es Apple-Computer für Leute, die sich ein Produkt von bestimmter Premium-Qualität leisten können. Und es gibt aber auch PCs für den kostenbewussten Verbraucher. Es gibt sogar günstige Smartphones für ärmere Menschen in ärmeren Ländern.

Marktmacht

Es ist jedoch auch richtig, dass auf dem Markt nicht alle Verbraucher die gleiche Stimmenanzahl haben. Die Reichen haben mehr Stimmen als die ärmeren Bürger, doch diese Ungleichheit ist selbst nur das Ergebnis eines früheren Abstimmungsprozesses. In einer reinen Marktwirtschaft ist reich sein das Ergebnis, wenn man die Wünsche und Bedürfnisse der Konsumenten am besten erfüllt hat.

Wir verstehen jetzt, dass ein reicher Mensch sein Vermögen nur erhalten kann, wenn er weiterhin den Verbrauchern auf die effizienteste Weise dient.

Zusammenfassung

Auf dem Markt hat somit keine Gruppe oder Klasse die Souveränität über irgendjemanden. Jeder Einzelne kann mit seinem Eigentum entscheiden, wie es weitergeht und sein Streben nach Zufriedenheit richtet sich nach den Handlungen aller anderen Personen, die mit dem Markt verbunden sind.

Der Markt ist ein Produkt eines langen Evolutionsprozesses. Er ist das Ergebnis das menschliche Handeln bestmöglich an die gegebenen Bedingungen der Umwelt anzupassen.

Kleiner Exkurs zur Entstehung der Praxeologie

Erst nachdem die Wirtschaftlichkeitsrechnung möglich wurde entstand die Praxeologie. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Wissenschaftler erst durch die Rechnung erkennen konnten, dass es grundlegende Gesetze des menschlichen Handelns gibt. Anfangs beschränkten sich alle Wissenschaften des menschlichen Handelns im Wesentlichen darauf das Geld zu untersuchen. Diese Wirtschaftswissenschaftler untersuchten zunächst Fragen über Währungen, den Geldverleih und den Handel zwischen verschiedenen Nationen.

Erst nachdem die Ökonomen die Logik des Tausches voll und ganz verstanden hatten, erkannten sie, dass diese Denkweise sogar auf das gesamte menschlichen Verhalten angewendet werden konnte. Daraus entwickelten sie die allgemeine Theorie aller menschlichen Handlungen, welche ich hier erläutere. Die Praxeologie.

Wir sehen uns im nächsten Beitrag „Praxeologie: Wettbewerb #19„.
Hier geht’s nochmal zum letzten Beitrag „Praxeologie: Gewinnstreben #17„.

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Beste Grüße

Leo Mattes

Quellen:

Ludwig von Mises – Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens (Buch)

Ludwig von Mises – Human Action (Buch)

Murray Rothbard – Man, Economy and State (Buch)

Youtube-Kanal Praxgirl

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