Warum arbeiten wir? Macht wirtschaftlicher Fortschritt den Menschen glücklicher? Kann eine Maschine uns die Jobs wegnehmen? Geht uns die Arbeit aus?
Im letzten Beitrag haben wir uns damit beschäftigt, wie man den Nutzen eines Produktionsguts versteht. Wir haben auch gezeigt, dass sich das Ertragsgesetz logisch aus dem Handelsaxiom ableiten lässt. Jetzt, da wir verstehen, wie der Mensch Nutzen aus Konsumgütern und Produktionsgütern zieht, können wir uns darauf konzentrieren welche Gesetze für den nächsten Faktor im Produktionsprozess gelten. Der Faktor der menschlichen Energie, auch bekannt als menschliche Arbeit.
Wenn ein handelnder Mensch seine Kräfte und biologischen Fähigkeiten einsetzt, um eine Ware zu produzieren oder eine Dienstleistung zu erbringen, nennen wir dies Arbeit. Wie die verschiedenen knappen Dinge auf der Welt, die der Mensch zur Beseitigung seiner Mängel einsetzt, ist auch seine Arbeit der Knappheit unterlegen.
Jeder Mensch hat nur eine begrenzte Menge an Energie, die er zu einem bestimmten Zeitpunkt abgeben kann und deshalb muss er seine physiologischen Funktionen sinnvoll einsetzen. Weil wir wissen, dass die uns von der Natur gegebenen Mittel knapp sind, besteht für den Menschen die Möglichkeit seine Produktionsrate zu erhöhen, indem er seinen Arbeitsaufwand erhöht. Wie wir sehen werden, hat die Arbeit wie die Natur ihre eigenen Grenzen.
Was ist Freizeit?
Wenn ein Mensch keine Arbeit verrichtet und somit eine Ware oder eine Dienstleistung konsumiert, so spricht man von Freizeit. Freizeit ist letztendlich das, weshalb wir Handeln, denn wie wir gesehen haben, zielt eine Handlung immer darauf ab, die wichtigsten Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen, die er lieber früher als später bevorzugt.
Was ist Arbeit?
Arbeit ist mit psychischen Kosten verbunden. Dies bedeutet, dass der Mensch sich mit einer Arbeit beschäftigt, weil er das Endergebnis mehr schätzt als die Kosten, die er tragen müsste, wenn er seine Zeit weiter mit Freizeit verbringen würde. Daher beinhaltet das menschliche Handeln immer ein Abwägen eines handelnden Individuums zwischen dem Erreichen seiner langfristigen Ziele durch seine Arbeit auf der einen Seite und dem Erfüllen seiner Ziele im „Jetzt“ auf der anderen Seite.
Wenn der Mensch in der Produktion einer zusätzlichen Einheit keinen Wert mehr sieht, dann wird er aufhören zu arbeiten. Die Arbeit ist nicht gleich befriedigend wie die Freizeit, denn die Freizeit ist die letzte Stufe und eine Befriedigung im „Hier und Jetzt“.
Ein nützlicher praxeologischer Vergleich ist die Betrachtung der Freizeit als ein Konsumgut.
Wenn man Freizeit als Konsumgut betrachtet, dann muss es demnach allen Aspekten des Gesetzes des abnehmenden Grenznutzens entsprechen über das wir in einem früheren Beitrag gesprochen haben. Die erste Menge an Freizeit befriedigt somit das größte Bedürfnis. Die nächste Menge befriedigt das nächst kleinere Bedürfnis. Die dritte Menge das noch weniger wichtige Bedürfnis etc. Der Grenznutzen der Freizeit nimmt mit zunehmendem Angebot ab und der Nutzen der Freizeit steht dem Verlust einer Einheit Freizeit entgegen.
Die Arbeit beinhaltet die Überwindung die sofortige Befriedigung zu verzögern, um die Befriedigung zu einem späteren Zeitpunkt zu erhöhen. Die Arbeit befriedigt das Innere nicht direkt. Mit anderen Worten: Der Mensch verzögert seine Freizeit im „Hier und Jetzt“, weil er glaubt, dass ihm seine Arbeit eine schönere Freizeit in der Zukunft ermöglicht.
Weil die Arbeit einen handelnden Menschen von seiner endgültigen Erfüllung der Bedürfnisse abhält, ist es schwer, den abnehmenden Grenznutzen der Bedürfnisse wahrzunehmen, den die Arbeit indirekt erzielt. Daher wird in der Praxeologie der Begriff des negativen Nutzens der Arbeit als Instrument zum Verständnis der Auswirkungen der Arbeit verwendet.
Der negative Nutzen der Arbeit
Nach diesem negativen Nutzen beurteilt ein Mensch, ob er weiterarbeiten will. Der negative Nutzen der Arbeit ist jedoch keine Qualität der Arbeit, sondern lediglich eine Umkehrung der Aussage über den abnehmenden Grenznutzen. Wenn die Konsumgüter mit jeder zusätzlichen Einheit einen abnehmenden Grenznutzen haben, so nimmt der negative Nutzen der Arbeit mit jeder zusätzlichen aufgewendeten Einheit zu. Der negative Nutzen nimmt zu, wenn ein Mensch weiterarbeitet. Arbeit folgt daher den gleichen Eigenschaften der Subjektivität wie die Handlungen, die auf den direkten Konsum abzielen.
Jeder Mensch nimmt den Schmerz der Arbeit anders wahr. Oder anders ausgedrückt: Jeder einzelne schätzt die Früchte der Arbeit unterschiedlich. Auf diese Weise können wir nun die wesentlichen Beschränkungen der menschlichen Arbeit logisch begreifen.
Durch was ist die Produktivität beschränkt?
- durch die Anzahl der auf der Welt existierenden Menschen und die Stunden, die ein Tag hat. Wenn Arbeit eine knappe Ressource ist wird sie, wie alle knappen Ressourcen, zuerst den dringendsten Bedürfnissen gewidmet. Je mehr Menschen auf der Welt sind, desto höher ist das Arbeitskräfteangebot und desto mehr Menschen können zufriedengestellt werden.
- durch die Fähigkeit eines jeden Arbeiters. Menschen sind von Natur aus verschieden. Manche Menschen sind von Natur aus sportlicher, während andere von Natur aus besser mathematische Probleme lösen können. Dadurch sind sie je nach ihren Fähigkeiten unterschiedliche gut für eine Aufgabe geeignet.
- durch die Menge an negativem Nutzen, die die Arbeit dem handelnden Menschen bringt. Wie ich bereits sagte, ist der negative Nutzen, den die Arbeit dem Menschen bringt, eine subjektive Angelegenheit. Manche schätzen ein „sofort“ oder „später“ mehr als andere.
Angesichts dieser Gesetzmäßigkeiten sollte klar sein, dass die Produktion auch zunehmen wird, solange das die Menschen produzieren können und wollen. Wenn die Menschen jedoch die Früchte ihrer Arbeit nicht weiter schätzen und lieber ihre Freizeit genießen, so wird die Produktion sinken und die Gesellschaft wird auf der Substanz der zuvor erarbeiteten Güter leben. Wie ich bereits sagte, ist der negative Nutzen, den die Arbeit dem Menschen bringt, eine subjektive Angelegenheit. Manche schätzen ein „sofort“ mehr als ein „später“.
Nehmen uns Maschinen die Arbeitsplätze weg?
Immer wieder gibt es die Behauptung, dass technische Geräte und Maschinen negative Auswirkungen haben und es gibt die Befürchtung, dass die Technologie den Menschen die Arbeitsplätze wegnimmt, da sie die menschliche Arbeit ersetzt und verdrängt. Was jedoch wirklich passiert ist, dass die Arbeit mit Hilfe von Maschinen effizienter wird.
Ein Beispiel: Angenommen, Annalena braucht 10 Stunden, um 100 Beeren zu pflücken. Wenn sie nun ein Werkzeug baut, das ihr dabei hilft doppelt so viele Beeren in der gleichen Zeit zu pflücken, dann nimmt ihr Grenznutzen mit jeder weiteren Beere ab. Sie kann nun mehr Beeren pflücken und damit immer geringere Bedürfnisse befriedigen. Diese Abnahme an Bedürfnissen ermöglicht es ihr neuen und dringenderen Bedürfnissen nachzugehen, die sie vielleicht als Tänzerin oder Näherin hat.
Arbeitssparende Geräte helfen uns, unsere Produktion zu verbessern und die Arbeitskraft in neue und bisher unbekannte Berufe zu treiben, damit wir neue Bedürfnisse befriedigen können.
Ein weiteres Beispiel: Eine Maschine, die automatisiert Autos baut, lässt den Eindruck entstehen, als würde sie die Arbeiter, die die Autos bauen, aus der Fabrik entfernen. Aber erst durch die Maschine, gibt es nun eine neue Nachfrage nach Arbeitern, die die Maschinen konzipieren und instandhalten. Da die Maschine aber nur eingesetzt wird, wenn sie effizienter ist als die Arbeiter zuvor, werden auch Arbeiter nicht mehr benötigt. Doch diese Arbeiter können dazu eingesetzt werden neue Bedürfnisse zu erfüllen.
Solange es Probleme und Bedürfnisse gibt, wird es auch immer Arbeit geben.
Macht uns Fortschritt zufriedener?
Wir können nun mit Hilfe der Praxeologie unsere erste Analyse der Geschichte durchführen. Da wir wissen, dass die Arbeit mit einem negativen Nutzen für den Menschen verbunden ist, können wir erklären, warum im Laufe der Menschheitsgeschichte durch die Produktivitätssteigerungen des technischen Fortschritts, eine Tendenz zu einer Verkürzung der Arbeitsstunden entstand. Die Frage, ob der wirtschaftliche Fortschritt den Menschen zufriedener gemacht hat, können wir mit einem großen „Ja“ beantworten.
Dies bedeutet nicht, dass die Praxeologie behauptet, dass materielle Güter das sind was alle Menschen glücklicher macht, sie bringt nur die Tatsache zum Ausdruck, dass die Menschen in der Lage sind sich besser mit dem zu versorgen was sie wollen.
Zusammenfassung
Wir haben gelernt, dass die Arbeit einzigartige universelle Gesetze und Eigenschaften hat, die logisch abgeleitet werden können. Diese Gesetze zeigen, dass Arbeit ein notwendiger Faktor bei der Herstellung von Waren und Gütern zur Befriedigung menschlicher Bedürfnisse ist. Menschen tauschen den negativen Nutzen, den die Arbeit mit sich bringt, gegen die erarbeiteten Produkte.
Zudem werden Löhne für die Produkte und nicht für die Arbeitsstunden gezahlt, denn nur die Produkte und deren Nutzen beseitigen Probleme und schaffen Befriedigung indem sie als Mittel eingesetzt werden. Somit haben wir die Arbeitswerttheorie von Marx widerlegt, die besagt, dass der Wert einer Ware durch die verwendete Arbeitszeit entsteht.
Wir haben auch gelernt, dass der technologische Fortschritt nicht die Beschäftigung von Arbeitern beeinträchtigt, sondern der Befriedigung unser aller Wünsche zugutekommt. Es wird immer Arbeit geben, solange noch nicht alle Probleme gelöst oder Bedürfnisse befriedigt sind. Und schließlich haben wir gesehen, wie die Praxeologie zu unserem Verständnis der Geschichte beitragen kann. Dies werden wir in Zukunft noch öfter tun.
Wir sehen uns im nächsten Beitrag „Praxeologie: Das Kapital #13„.
Hier geht’s nochmal zum letzten Beitrag „Praxeologie: Das Ertragsgesetz #11„.
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Beste Grüße
Quellen:
Ludwig von Mises – Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens (Buch)
Ludwig von Mises – Human Action (Buch)
Murray Rothbard – Man, Economy and State (Buch)
Youtube-Kanal Praxgirl
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