Praxeologie: Die Zeit #8

Praxeologie Die Zeit

In unserem letzten Beitrag sprach ich über die praxeologische Eigenschaft der Werteskala eines Menschen. Ich habe gezeigt, wie die Praxeologie bestimmt, was ein Mensch tatsächlich bevorzugt.

In diesem Beitrag möchte ich die nächste Eigenschaft vorstellen. Die Zeit.

Der Zeitbegriff ist entscheidend für das Verständnis des universellen Handlungsaxioms. Zeit ist ein Konzept, das die Wissenschaft des menschlichen Handelns von allen anderen Denkschulen, die sich mit dem menschlichen Handeln befassen, unterscheidet.

Ohne die Zeit wäre die Beurteilung von Handlungen die gleiche wie die der Mathematik. Es würde bedeuten, dass alle Beziehungen und Abhängigkeiten, die es in der Praxeologie gibt, gleichzeitig bestehen würden. Aber bei einer Handlung ist die Zeit eine entscheidende Eigenschaft, da die Handlungen einander folgen. 

Veränderung braucht Zeit

Mit anderen Worten: eine Veränderung braucht Zeit. Das Handeln führt zu einer Veränderung in unserem Universum. Ein Mensch handelt, um ein Verlangen nach Veränderung zu stillen. Der Begriff der Veränderung schließt die Notwendigkeit der Zeit mit ein. Wenn wir vom Handeln sprechen, dann bezeichnen wir die Zeit vor der Handlung die „Vergangenheit“, die Zeit, die von der Handlung benötigt wird, als „Gegenwart“, und die Zeit nach der Handlung als „Zukunft“.

Erst Handeln vermittelt dem Menschen das Bewusstsein von Zeit. Er kann sich vorstellen, wie die Dinge waren und wie er sie haben möchte. Eine Handlung ist immer auf die Zukunft gerichtet. Es ist der Wunsch, den Mangel zu beseitigen, dder andauern würden, wenn ein Mensch nicht handeln würde.

Unser Zeitbewusstsein ist immer durch unser Handeln bedingt. Eine Handlung findet immer im Jetzt statt. Doch der aktuelle Zustand einer Handlung unterscheidet sich stark von den aktuellen Bewegungen der Atome oder der Planeten im Raum. Die Zeit, die wir mit Uhren messen, ist immer die Vergangenheit. Die Zeit, die wir durch das Handeln betrachten und in der wir unsere Bedürfnisse identifizieren und beseitigen, ist die Gegenwart.

Zeit ist knapp

Für uns ist die Zeit knapp. Ab dem Moment, in dem wir handeln können, müssen wir mit unserer Zeit genauso wirtschaften, wie wir andere knappe Mittel bewirtschaften. Die Zeit unterscheidet sich von den physischen Gütern und Dienstleistungen darin, dass sie logischerweise niemals im Überfluss vorhanden sein kann. Selbst wenn wir im Paradies wären und unbegrenzte Ressourcen hätten, müssten wir trotzdem unsere Zeit einteilen.

Weil jede Handlung Zeit benötigt und gleichzeitig eine Bedürfnisbefriedigung zum Ziel hat können wir sagen, dass die Zeitpräferenz eines Menschen immer positiv ist und niemals null oder negativ. Damit ist gemeint, dass wir eine Befriedigung im Jetzt immer mehr schätzen als eine Befriedigung im Später.

Allgemeiner ausgedrückt, bestimmt die Zeitpräferenz, zu welchem Zeitpunkt ein Individuum den Konsum eines bestimmten Guts vorzieht, wenn es die Wahl zwischen mehreren möglichen Zeitpunkten hat.

Im Paradies

Im Paradies könnten wir uns zwar für alles entscheiden, aber wir könnten nicht alles gleichzeitig tun. Obwohl alles ohne Arbeitsaufwand zur Verfügung stehen würde, müssten wir immer noch entscheiden, was wir zuerst tun möchten, da nicht alle Bedürfnisse miteinander vereinbar sind. Zum Beispiel können wir nicht gleichzeitig schlafen und lesen. Aufgrund der Unvereinbarkeit von Bedürfnissen können die Handlungen eines Individuums nicht gleichzeitig stattfinden.

Sie können schnell hintereinander erfolgen oder eine Handlung kann mehreren Zwecken dienen, aber zwischen zwei Handlungen muss eine immer der anderen folgen. Es wäre demnach unsinnig, eine Handlung, die verschiedene Zwecke erfüllt, als Zusammentreffen mehrerer Handlungen zu bezeichnen.

Die Tatsache, dass zwei Handlungen nicht gleichzeitig von einer Person ausgeführt werden können, impliziert die logische Notwendigkeit, dass Handlungen unabhängig ihrer beiden Werteskalen ausgeführt werden müssen.

Die Werteskala ist nur eine Methode mit der man als Außenstehender eine Handlung nachvollziehen kann. Es wäre falsch, eine Handlung als irrational zu bezeichnen, indem man die tatsächliche Handlung einer Person mit dem vergleicht, was sie zuvortat.

Nehmen wir folgende Überlegung als Beispiel: Wenn Lisa A vor B und B vor C bevorzugt, sollte sie logischerweise A vor C bevorzugen. Wenn sie jedoch C vor A bevorzugt, könnte man argumentieren, dass sie nicht konsistent und nicht rational ist.

Jede Handlung hat eine eigene Werteskala

Dabei wird jedoch nicht bedacht, dass eine einheitliche Werteskala nicht sinnvoll ist, da diese beiden Aktionen nicht gleichzeitig stattfinden. Die Einordnung A vor B und B vor C finden nicht gleichzeitig statt und haben somit zwei verschiedene Wertskalen.

Handeln bewirkt eine Veränderung und enthält logischerweise das Konzept der Zeit. Dies zeigt, dass die Ausarbeitung mathematischer Modelle zur Vorhersage des menschlichen Verhaltens nicht möglich ist, weil wir die zukünftigen Werteskalen nicht kennen. Wir handeln und wir planen grundsätzlich und notwendigerweise immer für eine bessere Zukunft, und dies macht die Zeit zu einer wirklich bestimmten und unbestreitbaren Wahrheit.

Zwei Handlungen sind niemals gleichzeitig und jede Handlung hat eine eigene Werteskala.

Wir sehen uns im nächsten Beitrag „Praxeologie: Unsicherheit #9„.
Hier geht’s nochmal zum letzten Beitrag „Praxeologie: Die Werteskala #7„.

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Beste Grüße

Leo Mattes

Quellen:

Ludwig von Mises – Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens (Buch)

Ludwig von Mises – Human Action (Buch)

Murray Rothbard – Man, Economy and State (Buch)

Youtube-Kanal Praxgirl

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