Praxeologie: Wirtschaftlichkeit #16

Praxeologie Wirtschaftlichkeitsrechnung

Warum heißt der Kapitalismus eigentlich Kapitalismus?

Im letzten Beitrag haben wir gelernt, dass der direkte Austausch Probleme hat, die nur durch einen indirekten Austausch gelöst werden können. Wir haben festgestellt, dass in einer Gesellschaft eine Tendenz zu Gütern besteht, die als das vorherrschende Tauschmittel geschätzt werden. Diese Tauschmittel werden als Geld bezeichnet.

In diesem Beitrag werden wir uns die Eigenschaften und Auswirkungen von Geld genauer ansehen. Wir werden lernen, wie eine Wirtschaft durch Geld über die Einschränkungen des direkten Austauschs hinaus wachsen kann. Durch Geld werden die Möglichkeiten für Spezialisierung und Arbeitsteilung enorm erweitert.

Jetzt müssen sich die Menschen nicht mehr um die Probleme der Teilbarkeit oder des doppelten Zufalls kümmern. Das bedeutet, dass ein Schmied jetzt seine Äxte gegen Geld eintauschen kann anstatt jemanden finden zu müssen, der Äxte als Tausch akzeptiert und im Gegenzug genau das anbietet, was er gerne hätte.

Ein Lehrer in einer Schule kann jetzt für Geld unterrichten, anstatt für bestimmten Waren, die er erst bewerten muss, bevor er handeln kann. Ein Mensch kann nun eine Maschine -also ein Kapitalgut- herstellen und gegen Geld eintauschen. Und er kann im Supermarkt Geld gegen Lebensmittel eintauschen.

Geld als gemeinsamer Nenner

Eine moderne Gesellschaft baut also auf der Verwendung von Geld auf und die Preisbildung bekommt nun einen gemeinsamen Nenner. Es ist in diesem Schritt wichtig zu erklären und zu verstehen, was es wirklich bedeutet, einen gemeinsamen Nenner und gemeinsame Preise zu haben, um Fehlinterpretationen und irrtümliches Denken im Weiteren zu vermeiden.

Was bedeuten Geldpreise wirklich? Schauen wir uns zunächst an wie Preise im direkten Austausch ermittelt werden. Preise sind nichts anderes als die Umtauschverhältnisse zwischen zwei Waren. Der Preis eines Gutes in Bezug auf ein anderes ist einfach die Anzahl der Einheiten des einen Gutes die angeboten werden müssen, um eine Einheit des anderen Gutes im Austausch zu erhalten.

Zurück zu unserem Beispiel: Angenommen, ein Bäcker möchte mit dem Schmied handeln. Und sie erzielen eine Einigung und tauschen vier Kuchen gegen eine Axt. Der Preis für eine Axt beträgt in diesem Fall vier Stück Kuchen. Wenn wir den Preis einer Einheit ermitteln wollen, so schauen wir uns einfach das Verhältnis an und teilen eine Einheit der Ware gegen das Handelsverhältnis der anderen. In diesem Fall wäre der Preis für einen Kuchen 1/4 einer Axt.

Es ist wichtig zu wissen, dass die Preise nichts anderes als historische Fakten sind. Sie sind die Umtauschverhältnisse zwischen zwei Waren zum Zeitpunkt des Geschäftsabschluss. Die Preise können uns aber nichts darüber sagen wie die Menschen den Wert der Waren in Zukunft einschätzen werden. Sie sagen uns nur, dass eine Axt einem Bäcker mehr wert war als vier Kuchen, die er bereit war, in einem freiwilligen Austausch zugeben. Und umgekehrt schätzte der Schmied die vier Kuchen mehr als seine Axt.

Geldpreise und die Wirtschaftlichkeitsrechnung

Preise sind lediglich Umtauschverhältnisse zwischen zwei Waren. Daher bedeutet ein Geldpreis, dass die Menge an Geld gegen ein anderes Gut eingetauscht wurde. Die einzige Änderung durch die Geldpreise ist nun, dass jetzt ein Gut als gemeinsamer Nenner für alle anderen umtauschbaren Waren dienen kann. Nämlich das Geld selbst. In unserem ersten Beispiel betrug der Kuchenpreis für eine Axt 4 Stück. Wenn der Bäcker eine Kuchen gegen eine Unze Gold eintauscht, dann beträgt der Geldpreis eines Kuchens eine Unze Gold.

Dies bedeutet, dass der Geldpreise aus dem besteht was gehandelt wird, und nicht aus einer Messung des objektiven Werts. Erst ein gemeinsamer Nenner der Preise ermöglicht den Marktteilnehmern ein Vergleich und eine ökonomische Berechnung durchzuführen. Eine Person kann nun die Geldeinheiten in seinem Bestand quantifizieren und weiß, welche Waren und Dienstleistungen sie damit erwerben kann. Die Kalkulation ergibt sich aus der Beobachtung von Geldpreisen.

Eigenschaften der Wirtschaftlichkeitsrechnung

Da wir jetzt verstehen, was Preise sind, nämlich wie viele Ware für ein anderes Gut umgetauscht wurde, ist es einfach diese Idee auf Geldpreise zu übertragen. Die Möglichkeit eine Wirtschaftlichkeitsrechnung durchführen zu können, bedeutet, dass ein Mensch seine Erfolge und Misserfolge berechnen kann und zudem sehen kann wie nah oder fern er seinen Wünschen in Bezug auf einzelne Güter bezüglich deren aktuellen Preisen ist. Eine ökonomische Berechnung kann alles erfassen was gegen Geld getauscht werden kann.

Um vollständig zu verstehen was ich mit einer Berechnung meine, nehmen wir folgendes Beispiel: Wenn ein Computer für eine Unze Gold auf dem Markt angeboten wird und ein Auto für fünf Unzen Gold verkauft wird. So kann jeder sehr schnell verstehen, dass ein Auto fünf Computer wert ist. Das Rechnen mit einem gemeinsamen Nenner ermöglicht es uns Bilanzen zu führen. Mit dem Wissen über die täglichen Preise können wir und alle anderen Geschäftsleute die Preise unserer eigenen aktuellen Waren- oder Dienstleistungsangebote auf dem Markt abschätzen. Dies hilft uns und allen anderen Geschäftsmännern unsere Tätigkeiten mit viel mehr Effizienz durchzuführen und Ressourcenverschwendung zu vermeiden.  

Doch dies bedeutet nicht, dass Geld eine Einheit zur Messung von Werten ist, denn es ist nicht möglich Werte zu messen. Und die Wissenschaft der Praxeologie würde dies auch niemals behaupten.

Der Messvorgang besteht lediglich darin, die numerische Beziehung eines Objekts zu einem anderen Objekt zu ermitteln. Es gibt keine feste Einheit für den Wert. Der Wert ist immer ein subjektiver Begriff. Es wäre daher ein Fehler, den Wert mit den numerischen Berechnungen der Ingenieur- und Naturwissenschaften zu berechnen. Die Naturwissenschaften haben die Fähigkeit präzise zu messen und so das Ergebnis einer bestimmten Experimente mit relativer Genauigkeit vorherzusagen. Aber was den Wertbegriff betrifft gibt es keinen solchen Standard.

Matthias baut eine Brücke

Lass mich diesen Unterschied anhand eines Beispiels nochmals veranschaulichen. Angenommen, Matthias will eine Brücke bauen. Mit seinem Ingenieurswissen kann er feststellen, wie eine Brücke über einen Fluss gebaut werden muss, damit sie bestimmte Lasten aushält. Die Technik kann jedoch nicht die Frage beantworten, ob der Bau einer solchen Brücke die Produktions- und Arbeitsfaktoren (wie Eisen, Beton, Holz oder Arbeitsstunden) von einer anderen Verwendung, bei der dringendere Bedürfnisse befriedigt werden könnten, abhalten kann.

Zum Beispiel zurück: Ohne Geld kann Matthias nicht herausfinden, ob der Bau einer Brücke Arbeitskraft und Waren vom Bau einer Schule oder von Häusern wegnimmt. Matthias kann auch nicht wissen, ob die Brücke überhaupt gebaut werden soll oder nicht. Wo sie gebaut werden soll, welche Tragfähigkeit sie haben soll und welche der vielen Möglichkeiten für seinen Bau gewählt werden sollen.

Geld löst dieses Problem. Geld als gemeinsamer Nenner und primäres Tauschmittel in einer Gesellschaft überträgt die Informationen aller Transaktionen, die über Geld abgewickelt werden, und sagt uns wo der rentabelste Ort für den Bau einer Brücke sein wird. „Am rentabelsten Sein“ bedeutet den besten und effizientesten Einsatz von Ressourcen, um die höchsten und dringendsten Wünsche zu erfüllen.

Die Grenzen der wirtschaftlichen Berechnungen

Die ökonomische Berechnung hat ihre eigenen Grenzen, denn Dinge, die nicht verkauft und gekauft werden können, können nicht mit Geld aufgewogen werden. Solche Dinge sind etwa: das Selbstwertgefühl, die Lebenskraft, die Liebe, das Vertrauen, die Motivation und das Leben selbst. Diese Dinge spielen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft, doch sie sind nicht Teil einer wirtschaftlichen Aktivität.

Dies ist jedoch kein Problem für die Wirtschaftlichkeitsrechnung, da für diese Dinge keine Berechnung erforderlich ist. Dinge, die nicht buchhalterisch erfasst werden können, sind an sich keine tauschbaren Güter. Es ist keine wirtschaftliche Berechnung erforderlich, um ihren Wert durch einen Menschen zu bestimmen. Ein Mensch muss nur für sich wählen.

Der Boxer David und sein Stolz

Angenommen ein Boxer namens David wird von seinem Manager gebeten einen Kampf gegen Geld zu führen. David ist ein alternder Boxer und braucht dringend Geld, um seine Schulden loszuwerden. David hat aber auch sehr viel Stolz als ehemals erfolgreichen Boxer. Stolz ist etwas, das man nicht mit Geld ausdrücken kann. In der Nacht des Kampfes muss David lediglich darüber nachdenken, ob er absichtlich verlieren will oder nicht, ob er seinen Stolz und seine Gesundheit mehr als das Geld schätzt.

Dinge, die nicht mit Geld ausgedrückt werden können, werden dennoch in eine bestimmte Position auf der Werteskala gebracht. Es wäre ein grober Fehler, sich darüber zu beklagen, dass Geld die Moral oder die ästhetischen Werte einer Gesellschaft beeinflusst. Die Werte leiden nicht unter der Tatsache des Geldes, denn getauscht werden könnte auch ohne Geld. Geld ist nur ein Gut, das sich in einer Gesellschaft als gemeinsames Tauschmittel herausgebildet hat.

Es ist daher nicht die Schuld des Geldes, dass es für Unternehmen rentabel ist, Kühe zu schlachten, eine Twilight-Filmreihe zu drehen oder im Sommer Eis zu verkaufen. Geldpreise kommunizieren lediglich Informationen für die Dinge die gekauft und verkauft werden. Es ist so einfach wie es klingt.

Die Praxeologie sagt sogar, dass die Existenz von Geld den vollständigen umgekehrten Effekt hat. Geld als Instrument für eine bessere Planung erhöht das Angebot an materiellen Gütern so stark, dass die Menschen dadurch mehr Zeit für ihre nicht eintauschbaren Dinge haben. Um es einfacher auszudrücken: Je weniger Zeit die Menschen sich um die dringenden Bedürfnisse wie die Ernährung kümmern müssen, desto mehr Zeit können Sie sich auf die Ästhetik, Kultur, Tugenden, Nachhaltigkeit und auf die Liebe konzentrieren.

Zusammenfassung

Zusammenfassend haben wir gelernt, dass Geld ein allgemein anerkanntes Tauschmittel ist, welches den indirekten Austausch erleichtert. Es dient als gemeinsamer Nenner für alle wirtschaftlichen Aktivitäten und ist die Basis für eine wirtschaftliche Kalkulation. Die Bedeutung des Geldes wird in den weiteren Beiträgen immer wieder betont. Wirtschaftliches Kalkül ist das Leitprinzip des Handelns in einer arbeitsteiligen Gesellschaft und dies wird erst möglich, wenn es ein Geldmittel gibt.

Mögliche Handlungsoptionen können nun auf der Grundlage der erwarteten Kosten und Einnahmen bewertet und kalkuliert werden. Zurückliegende Handlungen können möglichst erfolgswirksam für die Zukunft interpretiert werden. Es sollte nun klar sein, warum sich eine Gesellschaft erst durch Geld entwickelt, denn durch Geld lässt sich am besten herausfinden, ob das Kapital vergrößert, erhalten oder konsumiert wird.

Jemand, der eine Brücke baut, ist damit wahrscheinlich zunächst nicht an einem Produktionsprozess beteiligt, welcher seine eigenen persönlichen Ziele erfüllt. Aber er baut die Brücke gegen Geld, damit er sich seine eigenen Wünsche mit dem verdienten Geld erfüllen kann. Wir können diejenigen, die Investitionsgüter herstellen oder erwerben Kapitalisten nennen. Eine solche Gesellschaftsstruktur wird als Kapitalismus bezeichnet. Nun können wir diesen Begriff und die zugrundeliegende Bedeutung besser verstehen.

Wir verstehen die Bedeutung von Kapital und der Kapitalisten für eine Gesellschaft, die in Wohlstand und Frieden leben möchte. Ein Kapitalist, der mehr spart als verbraucht lebt im Wohlstand. Oder anders gesagt: Im Kapitalismus ist derjenige reich an Geld, der schlau tauscht. Beziehungsweise ist derjenige reich an Geld, der vielen anderen (und dadurch gleichzeitig auch sich selbst) durch einen Austausch hilft.

Wir sehen uns im nächsten Beitrag „Praxeologie: Gewinnstreben #17„.
Hier geht’s nochmal zum letzten Beitrag „Praxeologie: Das Geld #15„.

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Beste Grüße

Leo Mattes

Quellen:

Ludwig von Mises – Nationalökonomie, Theorie des Handelns und Wirtschaftens (Buch)

Ludwig von Mises – Human Action (Buch)

Murray Rothbard – Man, Economy and State (Buch)

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